Sarah Aristidou
Sopranistin aus Berlin
www.sarah-aristidou.com
Aus der Begrüßung zur Preisverleihung, von Gabriele Forberg-Schneider
Die Pandemie ist noch nicht überwunden, gleichzeitig stellt ein grausamer Angriffskrieg die Jahrzehnte währende Friedensordnung in Europa auf eine gefährliche Probe. "Wie kann man sich des Lebens freuen, während so viele Menschen leiden? Warum bleibt man angesichts der Fülle der Probleme und Krisen der Welt nicht gelähmt im Bett, zieht sich die Decke über den Kopf und wartet auf bessere Zeiten ...", fragt sich und uns Nils Minkmar in der SZ. Auch die Problemlage aus Klimakrise, Naturzerstörung und dem Ende des vertrauten, auf dem Konsum fossiler Energie basierenden Wachstumsversprechens erfordert eine philosophische Neuorientierung. Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist auch eine Krise des Menschenbildes verbunden und damit eine Infragestellung all unserer liebgewordenen und ideologisch festgezurrten Mechanismen der Lebensbewältigung.
Albert Camus formulierte in seiner berühmten Stockholmer Rede zur Entgegennahme des Nobelpreises eine Art lebenskünstlerisches Programm, entgegen allen Sonntagsreden vonseiten ideologischer Scharfmacher: "Man muss sich selbst eine Lebenskunst in Zeiten der Katastrophe schmieden. Die Kraft kommt durch das Leben, nicht die Tugend".
Und so heißt es: weitermachen, nicht nur bekennen! Wie Sisyphos den Felsbrocken weiterhin den Berg hinauf rollen ...
Eine gewisse anarchische Grundhaltung liegt dem Mut zur Initiative zugrunde: nicht nur der Anarchie des eigenen Tuns, auch der wirklicher künstlerischer Talente. Denn Kunst entsteht aus dem Antrieb, Unerhörtes, Ungesehenes, Ungedachtes wachsen zu lassen - ihr Wesen ist zutiefst antiautoritär.
Jedes Geschenk - und etwas anderes ist auch unser (mit 20.000 €) hochdotierter Belmont-Preis nicht - braucht auch einen Beschenkten, einen Empfänger, einen ideellen Nutznießer unserer anarchischen Begehrlichkeiten. Einen Musiker, der willens ist - wie Arthur Rubinstein das formulierte - auch mal "fünf Tropfen Blut zu vergießen".
Begründung des Kuratoriums
Sarah Aristidou geht an Grenzen - und über diese hinaus. Phänomenale vokale Fähigkeiten prädestinieren sie dazu: Mehr als drei Oktaven umfasst ihr Koloratursopran, eine Ausnahmestimme, der ihre französischen und zypriotischen Prägungen gleichermaßen anzuhören sind.
Der exorbitanten Stratosphärenhöhe - sie reicht bis zum hohen g - steht eine nicht minder imposante Bruststimme in der Tiefe gegenüber. Kunstvoll stilisierter Schöngesang und archaische Ausdruckskraft, Artistisches und Existenzielles verbinden sich zur höheren Einheit.
Jeder Ton von Sarah Aristidous Gesang ist durchdacht, ist Manifestation blitzender Intelligenz, Expressivität und Sinnlichkeit. Einige der bedeutendsten Komponisten unserer Zeit wie Aribert Reimann oder Jörg Widmann lassen sich von ihrer Kunst inspirieren.
Ihre eigenen Projekte, wie die mehrere Jahrhunderte und diverse Genres umspannende CD-Produktion "Æther", zeigen, worauf die junge Musikerin hinwirken möchte: auf ein emphatisches Hinhören, auf Transformation im spirituellen Sinne.
Videomitschnitt der Preisverleihung an Sarah Aristidou
am 10. November 2022 im Gartensaal des Prinzregententheaters, München
Stiftungsvorstand: Sebastian Berger (Begrüßung)
Stiftungskuratorium:
Gabriele Forberg-Schneider (Vorsitzende)
Anselm Cybinski (im Gespräch mit der Preisträgerin)
Florian Ganslmeier
In Kooperation mit dem MKO
Kamera: Sanna Hahn, MKO